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In der Oschatzer Allgemeinen Zeitung erschien im März 2008 ein Artikel von Steffen Bahnemann über den Orgel- und Instrumentenbauer Walter Henkel, der in der Lutherstraße 12 lange Jahre ein Piano- und Musikhaus führte.

 

Das Haus der Musik
Domizil des Musik- und Pianohauses Henkel in Oschatz von 1935 bis 1951 in der Lutherstraße
 

O s c h a t z . Wo heute Versicherungen verkauft werden und ein Unternehmen der Informationstechnologie seinen Sitz hat, spielte früher die Musik. Das Musik- und Pianohaus Henkel war in der Lutherstraße 12 ansässig. Ein Unternehmen mit einer interessanten Geschichte. Die Musik spielte damals in vielen Familien und Haushalten eine große Rolle. Nach einer harten und kräftezehrenden Arbeitswoche traf man sich gern mit Freunden und Bekannten an freien Tagen, um zu singen und zu musizieren. Da das Zeitalter der Television noch in den Kinderschuhen steckte, vergnügte man sich auf diese Art und erfreute sich so in geselliger Runde. In den Kasernen und besonders auch in den Kriegsjahren war das Singen und das Spielen eines Instrumentes nicht nur unter den Soldaten von großer Bedeutung. Das Musik- und Pianohaus Henkel in Oschatz verfügte über ein großes Sortiment an modernen Instrumenten aller Art. Es war das einzige und älteste Musikfachgeschäft der Stadt.


Der Inhaber des Oschatzer Musikgeschäftes Walter Henkel bei der Arbeit

Der am 16. Mai 1896 in Dresden geborene Orgelbauer und Musikinstrumentenmacher Walter Henkel durchlebte vor der Eröffnung seines Geschäfts in Oschatz eine harte Phase seines Lebens. In Verantwortung als Werkführer, Techniker und Konstrukteur arbeitete er in Musikwerken wie dem Continental-Musikwerk-Max Skreta & Co in Wien von 1922 bis 1925, wo er auch Konstruktionszeichnungen anfertigte. Danach war er von 1925 bis 1931 in der Pianoforte-Fabrik F. O. Glass in Klingenthal tätig. Vor dieser Zeit trat er im September des Jahres 1915 in die Fabrik für Piano- Einbauapparate in Dresden ein. Den Ersten Weltkrieg hinter sich, kehrte Henkel 1919 nach Dresden zurück und war hauptsächlich mit der Montage von Antriebswerken für Notenkästen beschäftigt. Voller Ehrgeiz und jahrelanger Berufserfahrung setzte der Familienvater zweier Kinder dann einen neuen Meilenstein in seinem Leben. Zusammen mit seiner Ehefrau Elsa eröffnete er am 1. Juli 1935 ein neues Musikgeschäft in der Lutherstraße 12 in Oschatz. Die zentrale Lage und die Nähe zur Hauptstraße nach Leipzig und Dresden boten beste Voraussetzungen für die Entwicklung des Geschäftes. Schon in den Jahren 1927 bis 1931 hatte sich in demselben Gebäude ein Musikwarengeschäft unter der Führung von Emil und Meta Moeckel befunden.

„Musik die einer selber macht, hat manchem schon viel Freud gebracht! Darum pflegt Hausmusik!“. Solche und ähnliche Sprüche oder Werbeanzeigen schmückten die Tageszeitungen von damals, aber nicht nur der Verkauf prägte das Unter-



nehmen, sondern auch Dienstleistungen wie das Stimmen von Instrumenten, Reparaturen und Spielkurse waren an der Tagesordnung. Auch Karl Heinz Linder (83) kann sich noch genau an sein erstes Akkordeon erinnern, das er in diesem Geschäft kaufte. Als kaufmännischer Lehrling verdiente er gerade einmal fünf Mark im Monat. „Früher waren 25 Mark sehr viel Geld für ein Mittelklasseinstrument, ich konnte es nur in Raten bezahlen, jeden Monat fünf Mark. Ich hatte auch Musikunterricht bei Herrn Henkel, er war ein sehr strenger Lehrer, verlangte sehr viel ab von seinen Schülern, vor allem das Spielen nach Noten. Wir haben ihn sehr geschätzt, hatten großen Respekt vor ihm. Er war ein Meister seines Faches. Da gab es keine Zweifel. Sein größter Umsatz schien der Verkauf von Musikschallplatten gewesen zu sein, die er nebenbei mit führte“, fügte Karl Heinz Linder am Ende noch hinzu. Als der Zweite Weltkrieg ausbrach, musste auch Walter Henkel seine Arbeit für kurze Zeit ruhen lassen, um als Reservist bei der Wehrmacht zu dienen. Von Zerstörungen alliierter Angriffe ist Oschatz verschont worden, doch erst mit Kriegsende fingen die Probleme an ihren Lauf zu nehmen. Mit dem Einrücken der Roten Armee in die Stadt begann auch für die wohlhabenden Henkels eine schwere Zeit, die vor allem die Frauen zu spüren bekamen. Stundenlang harrten sie stillschweigend auf dem Dach ihres Hauses aus, um nicht entdeckt und vergewaltigt zu werden. In Sorge um seine Lieben entkam auch der Familienvater nur knapp dem Tode, als er den Befehl russischer Intelligenz erhielt, einen Wasserhahn in die Wand zu stoßen, um Wasser zu bekommen. Nach langen Verhandlungen und Diskussionen der Unmöglichkeit, ließ man dann von ihm ab. Den Krieg heilüberstanden und unter der Führung einer neuen Diktatur, konnte die Arbeitgrößtenteils wieder aufgenommen werden. Das Musikgeschäft Henkel führte seine Waren bis zur Einstellung des Verkaufes am 7. Mai 1949, stand aber weiterhin mit den üblichen Dienstleistungen zur Verfügung, bis man seine Pforten am 12. April 1951 endgültig schloss. Das Geschäft wurde später weitgehend als Wohnfläche genutzt. Heute befindensich darin Versicherungs- und Büroräume.



 


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